Samuel Finzi

Samuel Finzi (2011)

Samuel Finzi (kyrillisch Самуел Финци, * 20. Januar 1966 in Plowdiw, Bulgarien) ist ein bulgarisch-deutscher Schauspieler, der sowohl für das Theater als auch für den Film arbeitet.

Leben

Samuel Finzi ist Sohn des bulgarischen Schauspielers Itzhak Fintzi und der Pianistin Gina Tabakova.[1] Er studierte zwei Jahre lang in Sofia an der dortigen Staatlichen Theater- und Filmakademie VITIZ (Abschluss 1992).[2] Über Frankreich kam er durch eine Bitte des Regisseurs Ivan Stanev im Dezember 1989 nach Berlin. Er arbeitete an den Schauspielhäusern in Düsseldorf, Köln, Bochum und Zürich, am Thalia Theater in Hamburg, am Schauspiel Frankfurt, am Burgtheater in Wien und am Deutschen Theater Berlin.

Er spielte in insgesamt 20 Inszenierungen des Theaterregisseurs Dimiter Gotscheff. Finzi und Gotscheff arbeiteten seit 1992 bis zu Gotscheffs Tod 2013 zusammen.

Zwischen 2002 und 2008 hatte er ein festes Engagement an der Volksbühne Berlin, wo er in Königsberg von Andrei Nekrasow, Kampf des Negers und der Hunde von Bernard-Marie Koltès, Gier nach Gold nach Frank Norris in einer Bearbeitung von Frank Castorf, Zocker nach Dostojewskis Der Spieler, Philoktet von Heiner Müller, Iwanow von Tschechow und Das große Fressen nach Marco Ferreri, Rafael Azcona und Francis Blanche, Der Selbstmörder von Nikolaj Erdman und Ubukönig nach Alfred Jarrys König Ubu mitwirkte.[3] In der Spielzeit 2010/2011 war er dort in Am Beispiel des Hummers von David Foster Wallace und am Deutschen Theater Berlin in Dimiter Gotscheffs Bearbeitung des Aki-Kaurismäki-Films Der Mann ohne Vergangenheit zu sehen.[4]

Neben seiner Theater- und Filmarbeit wirkt Finzi auch in Hörspielen mit, etwa in einer Neuproduktion von Kafkas Der Process, welche zum Hörspiel des Monats Dezember 2010 gewählt wurde, oder in der Kleist-Bearbeitung Über das Marionettentheater. 2014 sprach er in der Produktion der Hörspielfassung von Der Meister und Margarita von Michail Bulgakow die Rolle des Lichodejew ein.

Seit 2005 spielte Finzi mehrmals den Rechtsmediziner Dr. Stormann in den Kieler Folgen der Fernsehserie Tatort um den Ermittler Klaus Borowski.

Im November 2009 startete die Krimiserie Flemming mit Samuel Finzi in der Rolle des Psychologen und Ermittlers Vincent Flemming und Claudia Michelsen als dessen Partnerin und Exfrau Ann Gittel.[5] Nach einer Unterbrechung wurden im Jahr 2011 und 2012 neue Folgen ausgestrahlt.

Im Herbst 2010 erschien er im dritten Werbespot und den dazugehörigen Anzeigen einer Kampagne mit dem Titel „Undurchsichtig“ für die Ergo Versicherungsgruppe.[6] Die Spots wurden von Simon Verhoeven in Berlin gedreht.

In den Monaten Oktober und November 2011 war Samuel Finzi als „Experte für alles“ in Finzi erklärt die Welt in der Show des Scheiterns (auch: Scheitern für Gescheite) im ZDF zu sehen.[7]

2024 wurde er Mitglied der European Film Academy.[8]

Persönliches

Finzi lebt in Berlin-Charlottenburg.[9] Er war mit der Dramaturgin Dimitra Petrou (* 15. Oktober 1965 in Thessaloniki; † 28. Mai 2005 in Berlin) verheiratet, die 20 Stunden nach ihrer Hirntumor-Diagnose 2005 starb.[10] Danach ging er eine Beziehung mit der Französin Sorrel Athina Jardine ein. Gemeinsam haben sie zwei Kinder, darunter den Schauspieler Ezra Finzi.[11]

Filmografie

Samuel Finzi bei den Dreharbeiten zu Flemming (ZDF)

Theaterrollen

  • 1990: Schuld und Bühne nach Fjodor Dostojewski in mehreren Rollen am Hebbel-Theater Berlin und Eurokaz Festival Zagreb (Regie: Ivan Stanev)
  • 1991: Hermaphroditus von Ivan Stanev in mehreren Rollen am Hebbel-Theater und Mickery Theater Amsterdam (Regie: Ivan Stanev)
  • 1992: Leonce und Lena von Georg Büchner als Büchner am Schauspielhaus Düsseldorf (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 1993–1997: Die Möwe von Anton Tschechow als Kostja am Schauspiel Köln (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 1994: Caligula von Albert Camus als Cherea am Schauspiel Köln (Regie: Werner Schroeter)
  • 1994: Die Straßenecke von Hans Henny Jahnn am Thalia Theater Hamburg (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 1994: Leonce und Lena von Georg Büchner als Handwerksbursche am Schauspielhaus Düsseldorf (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 1994–1996: Ein Monat in Dachau von Wladimir Sorokin in diversen Rollen am Schauspielhaus Düsseldorf (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 1995: Das weite Land von Arthur Schnitzler als Portier am Thalia Theater Hamburg (Regie: Jürgen Flimm)
  • 1995: Der Kirschgarten von Anton Tschechow als Carlotta und Firs am Schauspielhaus Düsseldorf (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 1995: Schwanengesänge von Anton Tschechow in diversen Rollen am Schauspielhaus Düsseldorf (Regie: Stefan Moskov)
  • 1996: Auf der großen Straße von Anton Tschechow als Borzov am Thalia Theater Hamburg (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 1996: Der gläserne Pantoffel von Ferenc Molnár als Portier am Thalia Theater Hamburg (Regie: Jürgen Flimm)
  • 1996: Die Stunde da wir nichts voneinander wussten von Peter Handke in diversen Rollen am Thalia Theater Hamburg (Regie: Jürgen Gosch)
  • 1996: Dreigroschenoper von Bertolt Brecht als Smith am Thalia Theater Hamburg (Regie: Katharina Thalbach)
  • 1996–1999: Time Rocker von Lou Reed in diversen Rollen am Thalia Theater Hamburg (Regie: Robert Wilson)
  • 1997–2000: Germania 3. Gespenster am toten Mann von Heiner Müller als Stalin am Deutschen Schauspielhaus Hamburg (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 1998–2000: Blau in Blau von George Gershwin in diversen Rollen am Thalia Theater Hamburg (Regie: Stefan Moskov)
  • 1999: Don Quixote von Miguel de Cervantes in diversen Rollen in der Jahrhunderthalle Bochum (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 1999: König Lear von William Shakespeare als Kent am Deutschen Schauspielhaus Hamburg (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 1999: Die heilige Johanna der Schlachthöfe von Bertolt Brecht als Mauler am Schauspielhaus Zürich (Regie: Benno Besson)
  • 1999–2000: Phädra von Jean Racine als Theramenes am Schauspielhaus Bochum (Regie: Werner Schroeter)
  • 2001: Pulverfass von Dejan Dukovski in diversen Rollen zum Steirischen Herbst und am Schauspielhaus Graz, Version I (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2002: Amphitryon von Heinrich von Kleist als Sosias am Schauspielhaus Hamburg (Regie: Jürgen Gosch)
  • 2002: Auf dem Weg zur Hochzeit von John Berger in diversen Rollen am Schauspielhaus Hamburg (Regie: Brigitte Landes)
  • 2002: Königsberg von Andrei Nekrasov als Vlad an der Volksbühne Berlin (Regie: Andrei Nekrasov)
  • 2002–2005: Der Leutnant von Inishmore von Martin McDonagh als Padraic am Burgtheater Wien (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2003: Kampf des Negers und der Hunde von Bernard-Marie Koltès als Alboury an der Volksbühne Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2003: Platonow von Anton Tschechow als Michail Vasiljevitch Platonow am Schauspiel Frankfurt (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2004: Gier nach Gold von Frank Norris als Zerkov an der Volksbühne Berlin (Regie: Frank Castorf)
  • 2004: Zocker von Fjodor Dostojewski in diversen Rollen an der Volksbühne Berlin (Regie: Johan Simons)
  • 2005–2006: Amphitryon von Heinrich von Kleist als Amphitryon am Deutschen Theater Berlin (Regie: Stefan Bachmann)
  • 2005-: Iwanow von Anton Tschechow als Iwanow an der Volksbühne Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2005-: Philoktet von Heiner Müller als Neoptolemos an der Volksbühne Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2006: Das große Fressen von Marco Ferreri als Philippe an der Volksbühne Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2006: Volpone von Ben Jonson als Volpone am Deutschen Theater Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2006–2008: Drei Sterne suchen einen Koch von Ivan Panteleev in diversen Rollen am Deutschen Theater Berlin (Regie: Ivan Panteleev)
  • 2006-: Die Perser von Aischylos als Xerxes und Bote am Deutschen Theater Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2007: Der Selbstmörder von Nikolaj Erdman als Podsekalnikov an der Volksbühne Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2007: Die Fledermaus von Johann Strauss als Alfred am Deutschen Theater Berlin (Regie: Michael Thalheimer)
  • 2007–2009: Anatomie Titus Fall of Rome nach William Shakespeare von Heiner Müller am Deutschen Theater Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2008: Das Pulverfass von Dejan Dukovski als Volpone am Deutschen Theater Berlin, Version II (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2008–2009: Ubukönig von Alfred Jarry als Ubu an der Volksbühne Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2008–: Songs of my mind – A Tribute to Stevie Wonder, Liederabend mit Samuel Finzi und Band am Deutschen Theater Berlin
  • 2008–: Tagebuch eines Wahnsinnigen von Nikolai Gogol als Poprischtschin am Deutschen Theater Berlin (Regie: Hanna Rudolph)
  • 2010–2011: Der Mann ohne Vergangenheit von Aki Kaurismäki in diversen Rollen am Deutschen Theater Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2010–2011: Am Beispiel des Hummers von David Foster Wallace ein Soloabend an der Volksbühne Berlin (Regie: Ivan Panteleev)
  • 2010–: Krankenzimmer Nr. 6 von Anton Tschechow als Andrej Efimyc am Deutschen Theater Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2012: Unendlicher Spaß von David Foster Wallace in diversen Rollen am Hebbel-Theater Berlin (Regie: Matthias Lilienthal)
  • 2012–: Der Trinker von Hans Fallada als Erin Sommer am Maxim-Gorki-Theater Berlin und Schauspiel Leipzig (Regie: Sebastian Hartmann)
  • 2012: Shakespeare. Spiele für Mörder, Opfer und Sonstige von Frank Günther, Heiner Müller, Manfred Wekwerth und Thomas Brasch in diversen Rollen am Deutschen Theater Berlin (Regie: Dimiter Gotscheff)
  • 2013: Dali vs. Picasso von Fernando Arrabal als Picasso am Théâtre National du Luxembourg (Regie: Frank Hoffmann)
  • 2013: Don Juan kommt aus dem Krieg von Ödön von Horváth als Don Juan am Berliner Ensemble (Regie: Luc Bondy)
  • 2014: Warten auf Godot von Samuel Beckett als Wladimir am Deutschen Theater Berlin und bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen (Regie: Ivan Panteleev)
  • 2015: Peer Gynt nach Henrik Ibsen in der Titelrolle am Deutschen Theater Berlin (Regie: Ivan Panteleev)
  • 2018: Kommt ein Pferd in die Bar Salzburger Festspiele mit Mavie Hörbiger
  • 2019: Kommt ein Pferd in die Bar von David Grossman im Akademietheater Wien mit Mavie Hörbiger[12]

Audioproduktionen

Werke

  • 2023: Samuel Finzi: Samuels Buch. Ein autobiographischer Roman, Ullstein, Berlin 2023, ISBN 978-3-550-20043-4.

Auszeichnungen

  • 1993: Kritikerauszeichnung als bester Nachwuchsdarsteller Nordrhein-Westfalens für Die Möwe
  • 1994: Preis für den besten Nachwuchsdarsteller beim 13. Theatertreffen Nordrhein-Westfalen für Die Möwe
  • 1995: Kritikerauszeichnung als bester Darsteller des Jahres in Nordrhein-Westfalen für Der Kirschgarten und Schwanengesänge
  • 1996: Förderpreis der Stadt Düsseldorf für Darstellende Kunst für Ein Monat in Dachau
  • 2001: Golden Chest, Bester männlicher Darsteller, International Television Festival Plovdiv, Bulgarien für Devil’s Tail
  • 2009: Bester Schauspieler beim Mess Theater Festival Sarajewo für Iwanow
  • 2010: Bester Schauspieler beim MOT Theater Festival Skopje für Tagebuch eines Wahnsinnigen
  • 2011: Bester Schauspieler beim Skena Up Theater Festival Pristina für Tagebuch eines Wahnsinnigen
  • 2011: Theaterpreis Berlin der Stiftung Preußische Seehandlung gemeinsam mit Dimiter Gotscheff, Almut Zilcher und Wolfram Koch für ihre „epochalen Aufführungen“[14]
  • 2015: Gertrud-Eysoldt-Ring gemeinsam mit Wolfram Koch für ihre Darstellung als Estragon und Wladimir im Drama Warten auf Godot am Deutschen Theater Berlin
  • 2015: Schauspieler des Jahres, Kritikerumfrage des Fachblatts Theater heute[15][16]
  • 2016: Deutscher Schauspielerpreis 2016 in der Kategorie Bester Schauspieler in einer komödiantischen Rolle für Worst Case Scenario

Literatur

  • Michael Eberth: Finzi. Theater der Zeit, Berlin 2009, ISBN 978-3-940737-37-3.

Weblinks

Commons: Samuel Finzi – Sammlung von Bildern
  • Samuel Finzi bei IMDb
  • Samuel Finzi bei filmportal.de
  • Samuel Finzi bei der Schauspieleragentur Die Agenten
  • Samuel Finzi bei castupload.com
  • Samuel Finzi auf nachtkritik.de

Einzelnachweise

  1. Petra Kohse: Samuel Finzi – als Schauspieler Clown, Tänzer und Musiker zugleich. Wenn das Spiel schmeckt. Theater heute, 6/2005, zitiert bei nachtkritik.de
  2. Samuel Finzi im Munzinger-Archiv, abgerufen am 29. April 2023 (Artikelanfang frei abrufbar)
  3. Siehe das Archiv der Volksbühne Berlin
  4. Siehe zu Letzterem die entsprechende Seite des Deutschen Theaters (Memento vom 26. Dezember 2010 im Internet Archive) sowie die Frankfurter Rundschau vom 30. Dezember 2010, S. 21.
  5. Samuel Finzi als TV-Ermittler mit Psychotick. DerWesten.de, 13. November 2009.
  6. Der dritte neue Werbespot der ERGO Versicherung beamtenkapital.de (=ERGO)
  7. Die Show des Scheiterns. (Memento vom 22. Dezember 2011 im Internet Archive) ZDF.de, Spalte rechts; mit Videobeiträgen
  8. Academy new members 2024: check the full list. In: europeanfilmacademy.org, 6. Mai 2024.
  9. berliner-zeitung.de
  10. Nachruf auf Dimitra Petrou
  11. Nach 20 Stunden gestorben: Samuel Finzi über Tod seiner Frau. Abgerufen am 12. November 2020. 
  12. derstandard.at
  13. Bayerischer Rundfunk Franz Kafka: Franz Kafka: Das Schloss (01/12). 13. Januar 2017, abgerufen am 9. August 2022. 
  14. Berliner Festspiele: Theatertreffen, Theaterpreis Berlin der Stiftung Preußische Seehandlung. (Memento des Originals vom 29. Oktober 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/archiv2.berlinerfestspiele.de Abgerufen am 30. Oktober 2013.
  15. Theater heute: Höhepunkte der Saison 2014/15. Abgerufen am 27. August 2015.
  16. derStandard.at – Kritikerumfrage: Burgtheater zum Theater des Jahres gewählt. APA-Meldung vom 27. August 2015, abgerufen am 27. August 2015.
Normdaten (Person): GND: 133724328 (lobid, OGND, AKS) | LCCN: no2009079536 | VIAF: 40573011 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Finzi, Samuel
KURZBESCHREIBUNG bulgarisch-deutscher Schauspieler
GEBURTSDATUM 20. Januar 1966
GEBURTSORT Plowdiw, Bulgarien